N O R B E R T   F I S C H E R


Halbinsel mit Feuer und Eis


Kamchatka, die sibirische Halbinsel im nordöstlichsten Teil Russlands, ist mit 29 aktiven Vulkanen  eine geologisch hoch aktive Region und damit ein bedeutendes Glied in der Vulkankette des „Pazifischen Feuerringes“.

Mit ca. 470.000 qkm ist Kamchatka ungefähr 1,5-mal so groß wie Deutschland und war während des „Kalten Krieges“ 1945–1991 kaum zugänglich, für die Russische Bevölkerung nur mit einer Sondergenehmigung und für Ausländer bestand keine Möglichkeit dorthin zu reisen. Sie war militärisches Sperrgebiet. Noch heute liegt in einem abgelegenen Arm der Avacha Bucht ein großer Teil der Russischen U-Boot Flotte, die den Pazifischen Raum sichert. Nach dem Zerfall der Sowjetunion ist die Halbinsel Kamchatka nun für Besucher weitgehend offen und ein sehr interessanter Schauplatz der Natur.


           


Mit etwas mehr als 300.000 Einwohnern und fast 7.000 km östlich von Moskau gilt Kamchatka als eines der letzten großen Naturreservate auf unserer Erde. Neben der geringen Siedlungsdichte und einem kleinen Anteil der Urbevölkerung von Itelmenen, Korjaken und Tschuktschen ist die Flora und Fauna dieser entlegenen Region überwältigend. Riesige schnee und eisbedeckte Stratovulkane dominieren die Szenerie der Landschaft. In den kurzen Sommermonaten sind in den Niederungen die üppig grünen Birkenwälder markant. Sie sind weitgehend durchsetzt mit Erlen- und Kiefersträuchern sowie mannshohem Unterwuchs. Kristallklare Bäche in den Tälern vereinigen sich zu Flüssen und schlängeln sich in unzähligen Mäanderungen durch die Ebenen bis zum Ochotskischen- oder Pazifischen Ozean. Im Sommer steigen Millionen von Lachsen aus den Ozeanen die Flüsse hoch um in den Oberläufen zu laichen. Es ist eine Zeit des Überflusses, besonders für die großen Populationen von Braunbären, denen die Lachse eine protein- und eiweißreiche Nahrungsgrundlage liefern. Auf den Berghängen über 1000 m Höhe bedeckt eine im Herbst farbenprächtige Tundra Landschaft den kargen Boden. In dieser ursprünglichen, unbesiedelten Landschaft gibt es neben Braunbären auch Seeadler, Zobel und Schneeschafe in freier Wildbahn zu beobachten. Im Pazifischen Ozean tummeln sich Wale, Robben und viele Seevögel bevölkern die zahlreichen Klippen und Felsen. Die Winter sind hart, schneereich und lang, mit Temperaturen in den Gebirgslagen unter –25°C und dauern von Oktober bis April.


                                   


Zwei Vulkanketten mit Höhen bis 4750 m durchziehen die Halbinsel in nord-südlicher Richtung und sorgen mit ihren jeweils aktiven Feuerbergen immer wieder für spektakuläre Naturereignisse. Die Aktivität dieser unruhigen Vulkane ändert sich stetig. Sie reicht von kürzeren oder längeren Ruhephasen sowie fumarolischer Tätigkeit und Daueraktivität bis zu starken Eruptionen mit Aschesäulen, die hoch in die Atmosphäre aufsteigen. In Kamchatka taucht die Pazifische Platte unter die Eurasische Kontinentalplatte und wird dabei im oberen Erdmantel aufgeschmolzen. Die Gesteinsschmelze steigt langsam auf und überzieht die Region mit einer Vielzahl von unterschiedlichen vulkanischen Erscheinungen. Die Fortsetzung der Vulkanreihe nach Süden bis Japan bilden die Kurilen Inseln. Angrenzend nach Osten bis Alaska verläuft die ebenfalls vulkanisch geprägte Inselkette der Aleuten.

Kamchatka wurde 1733-1744 während der 2. Kamchatka Expedition von dem Dänischen Kapitän Vitus Jonassen Bering im Dienste des Russischen Zaren „Peter der Große“ mit zwei Schiffen „Peter“ und „Paul“ von See her erkundet.

Der Name der heutigen Hauptstadt Petropavlovsk ist aus den Schiffsnamen Peter und Paul entstanden, als Vitus Bering in der Avacha Bucht landete. Es gibt zwischen Kamchatka und Zentralrussland keine Strassenverbindung und die wenigen Strassen auf der Halbinsel sind außerhalb der Siedlungen fast ausnahmslos unbefestigt. Es bleibt nur der Seeweg über den Pazifischen Ozean, oder der Luftweg als Verbindung zu den Metropolen Russlands und der übrigen Welt. Norbert Fischer • Kamchatka